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Falter

Ohne Not wandern Falter nicht ab

Nabu-Schmetterlingswanderung mit Jürgen Hensle aus dem Kaiserstuhl / Insekten tummeln sich am Sommerflieder

ÜHLINGEN-BIRKENDORF. Am Eingang zum Nabu-Zentrum in Birkendorf steht ein großer, violett blühender Sommerflieder, der auch Schmetterlingsflieder genannt wird. Grund für seine Attraktivität für blütenbesuchende Insekten ist nicht alleine sein betörender Geruch. Ein weiß blühender Strauch ganz in der Nähe duftete genauso, blieb aber von den Schmetterlingen gänzlich unbeachtet. Es ist die violette Farbe, die das Insektenauge am besten wahrnimmt und Grund dafür, dass sich auf diesem Strauch so viele Schmetterlinge tummelten.

Zuoberst saßen drei Kaisermäntel, zwei davon im typischen braun der Perlmuttfalter, zu denen eben auch der Kaisermantel gehört. Eines der Weibchen jedoch in einer seltenen olivgrauen Farbvariante, Form valesina genannt. Die beiden Weibchen werden noch in diesem Sommer im angrenzenden Wald ihre Eier ablegen. Jedoch nicht an Veilchen, die Nahrungspflanze der Raupen, sondern in Rindenrisse daneben stehender Bäume, bis hinauf in die Krone. Die winzigen Raupen müssen sich dann im Frühjahr auf den Weg an den Waldboden machen und dort nach Veilchen suchen. Bis sie diese gefunden haben, dient ihnen als Wegzehrung nur die eigene Eischale, die sie gleich nach dem Schlupf auffressen.

Neben den Kaisermänteln ein naher Verwandter, ein Feuriger Perlmuttfalter. Auch bei dieser Art legt das Weibchen die im Anschluss überwinternden Eier nicht an die Veilchen selbst, sondern an holzige Pflanzenteile in der Nähe. Seine Kinderstube befindet sich jedoch nicht im Wald, sondern an offeneren Stellen, zum Beispiel am Rand der Wiese des Schwimmbades. Die Ablage fernab der Nahrungspflanze hat bei Arten, die als Ei überwintern, durchaus ihren Sinn: An den im Herbst verwelkenden Blättern würde das Ei im Winter verfaulen.

Auch einige Admiral-Falter haben sich eingefunden. Diese Art ist vor 15 Jahren noch alljährlich aus dem Mittelmeerraum in den Schwarzwald eingewandert. Im Zuge der klimatischen Erwärmung hat sich das mittlerweile gründlich geändert. Die Falter überwintern heute in ganz Mitteleuropa, hauptsächlich in Gebieten mit milden und kurzen Wintern, wie der Oberrheinebene. Sie haben sich an den Frost gut angepasst, vertragen heute auch Minus 15°C noch schadlos, wenn der Dauerfrost nur nicht zu lange anhält. Spät im Herbst geschlüpfte Falter überwintern selbst im Schwarzwald und versuchen erst gar nicht mehr, mildere Lagen zu erreichen. So wurden im Februar 2007, nach dem zuvor extrem milden Winter, selbst im Hochschwarzwald in über 1000 Meter Höhe noch einzelne Falter angetroffen, die den Winter überlebt haben.

Probleme bekommen diese nur in zu langen Wintern. Denn ein in seiner südeuropäischen Ursprungsheimat sinnvolles Verhaltensmuster konnte der Falter noch nicht ganz ablegen. Andere Schmetterlinge, die schon seit Jahrtausenden in Mitteleuropa beheimatet sind, fallen im Herbst in die Diapause, eine Art Winterschlaf, aus dem sie erst im Frühjahr wieder erwachen. Der Admiral hingegen ruht nur, weshalb sein Stoffwechsel deutlich erhöht ist. Wird es im Winter warm, scheint die Sonne auf ihn, wird er zudem aktiv, fliegt umher und verbraucht seine kostbaren Fettvorräte. Am Mittelmeer könnte er nun Nahrung finden, nördlich der Alpen ist dies meist aussichtslos. Daher verhungern viele Falter, wenn es im Frühjahr nicht warm werden will. So ist auch der lange Winter dieses Jahres Grund dafür, dass der Admiral derzeit recht selten ist. Um seine Überlebenschancen zu erhöhen, hat er sich jedoch eine ganz besondere Raffinesse einfallen lassen.

Brennnesseln bleiben im Schwarzwald den Winter über nicht grün

In der Rheinebene legen die Weibchen im Spätherbst noch einmal Eier, die dann mitten im Winter die Raupen ergeben. Diese fressen an noch grün gebliebenen Brennnesselblättern ganz langsam weiter und ergeben im April oder Mai den Falter. Im Schwarzwald ist es dazu zu kalt, die Brennnesseln bleiben den Winter über nicht grün. Aber dieser Überlebenskünstler hat auch dafür eine Lösung gefunden und überwintert hier mittlerweile auch als Puppe. Der Admiral ist somit der einzige Tagfalter, der zugleich als Ei, Raupe, Puppe und Falter überwintern kann. Und eine weitere Besonderheit zeigt uns dieser Falter: An einem Stuhl neben den Sommerfliedersträuchern saugt ein frisch geschlüpftes Weibchen ausgiebig an Schweiß. Das Tier lässt sich auch dadurch nicht stören, dass ein Dutzend Menschen es aus nächster Nähe ausgiebig betrachten. Auch ein Distelfalter zeigte sich am Sommerflieder. Dieser ist nach wie vor ein Einwanderer aus Südeuropa, denn er verträgt fast keinen Frost. Im Februar und März fliegt der Falter aus West- und Nordafrika in den Mittelmeerraum und die nachfolgende Generation drei Monate später dann zu uns. Dass dieses Jahr so wenige gekommen sind, liegt daran, dass das Frühjahr in Spanien extrem nass war. Wenn dort die Vegetation satt grün bleibt und nicht, wie sonst üblich, vertrocknet, bleiben die allermeisten Falter im Süden. Denn ohne Not wandern sie nicht ab.

Das Tagpfauenauge daneben ist wieder ein heimischer Falter. Auch dieses hat sich in den letzten Jahren neu angepasst. Früher bildete es fast überall nördlich der Alpen nur eine Generation aus, lediglich in der Oberrheinebene flog eine zweite im Spätsommer. Aber selbst im Schwarzwald kann man mittlerweile im Hochsommer vereinzelt ein zweites Mal die in auffallenden Nestern an Brennnesseln lebenden schwarzen Raupen finden. Rätsel gibt der Kleine Fuchs auf, der sich in einem einzigen Exemplar auf dem Sommerflieder zeigte. Diese Art ist ausgesprochen robust, verträgt Nässe und Kälte problemlos. In den Alpen kommt er noch in über 3000 Meter Höhe vor und in Skandinavien erreicht er das Nordkap. Dennoch ist gerade er dieses Jahr überall sehr selten. Gerade unsere häufigsten Tagfalter können uns eben immer noch unlösbare Rätsel aufgeben.

Hensle: Der Zitronenfalter ist der Methusalem unter den Schmetterlingen

Und auch noch ein weiteres Rätseltier fand sich am Sommerflieder ein. Gleich mehrere Zitronenfalter tummelten sich dort. Dies ist der Methusalem unter den Schmetterlingen, denn er kann als Falter bis zu einem Jahr alt werden. Normalerweise schlüpft der Falter im Juni und Juli, fliegt ein paar Wochen und zieht sich dann recht bald in ein Überwinterungsquartier zurück. Erst im Frühjahr paaren sich die Falter und die Weibchen legen anschließend Eier an Faulbaum ab, sterben schließlich im Laufe des Junis. Diesen Sommer wurden nun schon wiederholt Weibchen bei der Eiablage beobachtet, die demnach eine zweite Generation begründeten. Was die Tiere gerade in diesem recht kühlen Jahr zu einer solchen Verhaltensänderung veranlasste, können sich die Schmetterlingsforscher nicht erklären. Am Blutweiderich unten am Badeteich sitzen die hübschen schwarzen Landkärtchen mit der weißen Flügelbinde. So sind diese Falter aber nur im Sommer gefärbt. Die erste Generation, die im Frühjahr aus der überwinternden Puppe schlüpft, sieht völlig anders aus, trägt eine braune, netzartige Zeichnung.

Im Anschluss ging es zu einer kleinen Rundwanderung durch den Wald. An Brennnesseln fanden sich die einzeln eingesponnenen Raupen des Brennnesselzünslers, einem Kleinschmetterling, dessen Raupe aus den Blättern einer Zigarre nicht unähnliche Tüten wickelt. Brennnesseln sind für die Raupen vieler Schmetterlingsarten die einzige Nahrungspflanze. Umso bedauerlicher ist es, dass so wenig Rücksicht auf sie genommen wird. Nach der Eiablage im Frühjahr hängen gerade im Juni viele Brennnesseln an den Straßenrändern voll mit den Raupen unserer schönsten Schmetterlinge, wie Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, C-Falter und Admiral. Und gerade dann werden sie regelmäßig bis auf die Wurzel abgemäht. Die alljährliche Folge ist ein millionenfaches Massensterben. Dabei müssen die Brennnesseln durchaus gemäht werden, denn an alte vertrocknende Pflanzen legt im Sommer kein Falterweibchen seine Eier mehr ab, sondern nur an frisch austreibendes Grün. Aber was spräche dagegen, mit dem Abmähen der Straßenränder noch ein paar Tage zu warten, bis sich die unübersehbaren Raupen verpuppt und in der weiteren Umgebung vereinzelt haben?

Viel Kleinarbeit: Heute wächst das Mädesüß wieder in reichen Beständen

Auf den feuchten Wiesen an der Schlücht wuchs einst nur noch das Indische Springkraut, eine mit ihren rosa Blüten zwar hübsch anzusehende Pflanze, die jedoch leider die gesamte heimische Vegetation überwucherte. In mühevoller Kleinarbeit ist es dem NABU gelungen, diese Pflanze herauszumähen. Heute wächst dort wieder das Mädesüß in reichen Beständen. Und damit kann dort auch wieder der Mädesüß-Perlmuttfalter überleben.

Zum Abschluss der Nabu-Schmetterlingswanderung mit Jürgen Hensle aus dem Kaiserstuhl rund um den Naturena-Badesee trafen die Exkursionsteilnehmer noch ein Waldbrettspiel, einer der ganz wenigen echten Waldbewohner unter den Tagfaltern, deren Raupen sich von Gräsern am dunklen Waldboden ernähren.

Quelle

Badische Zeitung, Chris Seifried, vom 30.08.2008