Angst vor Bienen und Libellen?
News vom 21.06.2024
Das ist für die Geschwister Jakob (13), Paul (10) und Marie (7) kein Thema. Beim Tag der Artenvielfalt haben sie und viele andere sich im Biogarten der Ökostation am Seepark unter anderem auf die Suche nach Wildbienen und Libellen gemacht.
In diesem Jahr hatten die Ökostation zum Tag des Artenvielfalt auf den 16. Juni gelegt. Seit 2001 gilt der 22. Mai als Internationaler Tag der Artenvielfalt, festgelegt von den Vereinten Nationen. Doch zum Tag der Artenvielfalt einladen können alle, denn der Begriff ist nicht geschützt. Die Ökostation veranstaltet den Tag der Artenvielfalt seit 2006, früher gab es dabei teils ein gemeinsames Programm mit vielen Naturschutzgruppen. Im Juni 2010 war sogar der Chefredakteur des Magazins Geo zu Aktionen auf dem Rathausplatz gekommen, die Veranstaltungen liefen damals unter dem Titel „Geo-Tag der Artenvielfalt“.
Nun läuft alles kleiner. Im Biogarten der Ökostation finden Jakob, Paul und Marie auf den Blumen schnell Wildbienen. Einfach das Glas zum Einfangen drüber stülpen – und dann die Bienen bald wieder freilassen. Wenn Kinder kommen, die sich Sorgen machen, dass sie von den Bienen gestochen werden, gibt Cordula Heusler, die als Biologin bei der Ökostation arbeitet, Entwarnung: „Der Stachel der Wildbienen ist so weich, dass er nicht durch die menschliche Haut dringt“, sagt sie. Und auch für alle anderen Bienen gilt, dass sie - abgesehen von den Wächterbienen am Bienenstock, deren Aufgabe es ist, den Stock zu verteidigen - kein Interesse an Angriffen haben. Wenn sie stechen, dann aus einer Notsituation heraus, zum Beispiel, wenn jemand mit dem Fuß im Gras versehentlich auf eine Biene tritt.
Cordula Heusler kann viel über Wildbienen erzählen. Vor der Wildbienenwand im Biogarten, wo zwischen Stäben und Löchern einige Bienen ein Zuhause finden, berichtet sie, dass von den 571 Wildbienenarten, die es gibt, drei Viertel in Gängen im Boden leben und der Rest im Altholz. Wildbienen spielen beim Bestäuben der Pflanzen eine besonders wichtige Rolle, sagt sie: Denn ihre Vielfalt an unterschiedlichen Rüsselgrößen passt perfekt zur Vielfalt von verschiedenen Blüten.
Jakob findet vor allem die Bestäubungsprozesse an den Bienen sehr interessant. Paul mag Schmetterlinge noch lieber, weil sie schön sind. Aber inzwischen sind in der Natur nicht mehr viele zu sehen. Miriam Hoss, die Mutter von Jakob, Paul und Marie, ist Naturpädagogin und macht zurzeit eine Ausbildung als Schmetterlingsguide bei der Ökostation. Sie hat zu Hause sogar schon Schmetterlinge gezüchtet. Vorhin hat Jakob einen Baum-Weißling mit weißen Flügeln gefangen, inzwischen ist er wieder frei. Diese Schmetterlingsart passt nicht in den Biogarten der Ökostation, sagt Andre Grabs, sondern in höhere Schwarzwaldlagen oder Naturgebiete am Oberrhein. Andre Grabs arbeitet unter anderem als Schmetterlingsguide - die Ökostation hat ihn für den Tag der Artenvielfalt engagiert. Er hat eine Tasche mit Hunderten von Schmetterlingseiern und Puppen dabei und erzählt, dass der Baum-Weißling, als er morgens hier ankam, noch verpuppt gewesen sei. Irgendwann sei er geschlüpft. Ähnlich wird es bald bei der braun-schwarzen Puppe sein, die er aus seiner Tasche zieht: Ganz winzig ist bei ihr schon die Andeutung der weißen Flügel zu sehen. Das Verwandlungswunder der Schmetterlinge und ihre Schönheit und Vielfalt sind die Gründe dafür, warum so viele Menschen von ihnen fasziniert sind, sagt Miriam Hoss.
Deshalb sei es sinnvoll, an ihrem Beispiel die dramatisch zugespitzte Gefährdung aller Insekten aufzuzeigen. Ähnlich wie es den Schmetterlingen gehe, gehe es auch allen anderen Insekten. Am Beispiel der Schmetterlinge, die mittlerweile nur noch vereinzelt zu sehen sind, könnten alle erkennen, wie groß die Not der Insekten sei. Ihre Kinder haben dazu in der Schule bisher noch nicht viel gelernt. Bei Jakob im Biologieunterricht war zwar den Aufbau einiger Insektenarten Thema, erzählt er: Aber um das Artensterben sei es nicht gegangen.
Andre Grabs kann viele Ursachen für die Gefährdung der Schmetterlinge und der anderen Insekten aufzählen: Unter anderem die Zerschneidung der Landstraßen durch Straßen, Pestizide und Insektizide, Verbauung, Mähen mit Mulchmähern, Überdüngung und viel Gülle. Falsches Mähen zerhacke und zerstöre alles, Überdüngung sorge dafür, dass sich Gräser immer stärker ausbreiten und die Blühpflanzen verdrängen. Nicht zu vergessen wirkt sich natürlich auch die Klimakrise schlecht aus. Auf die Schmetterlinge ebenso wie auf andere Insekten.
Das gilt auch für Libellen, denen in den Dürrezeiten der Hitzesommer die Gewässer austrocknen, an denen sie leben - obwohl sie immerhin insofern noch etwas im Vorteil sind, weil sie „Sonnenanbeterinnen“ sind, wie es der Biologe und Libellen-Experte Holger Hunger ausdrückt. Libellen lieben es heiß, sonnig und windstill. Er informiert über die schillernden Tiere am kleinen Teich hinter der Ökostation. Ungefähr eine Handvoll Arten hat er an diesem Tag dort entdeckt, darunter auch die große Königslibelle, die größte einheimische Art: Sie könne über acht Zentimeter lang werden. Wichtig für Libellen sei nicht nur, dass die Gewässer nicht austrocknen – sie brauchen auch Gewässer, die naturverträglich gestaltet sind, vor allem die Ränder der Gewässer. „Das hilft dann auch den Wildbienen und Schmetterlingen“, sagt Holger Hunger.