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Der Wiedehopf

Wiedehopf fühlt sich am Tuniberg zu Hause

Zu Besuch bei den Letzten seiner Art: Der Wiedehopf brütet seit 2006 wieder am Tuniberg / Franz Nagel aus Opfingen bemühte sich Jahrelang um Brutplätze

MERDINGEN/GOTTENHEIM. Die Artenvielfalt schwindet kontinuierlich, weltweit und auch in Deutschland. Nach Angaben des Naturschutzbundes gelten von den 254 heimischen Vogelarten 141 als ungefährdet. Ohne das Engagement unzähliger Naturschützer stünde es noch schlechter um die Vielfalt. Sie pflegen Bachufer, bewahren Amphibien davor, beim Queren von Straßen unters Auto zu kommen, halten Tümpel offen, richten Nisthilfen ein oder sichern Brutplätze. Die BZ stellt vier extrem seltene Arten vor und die Menschen, die sich ihrer angenommen haben. Heute: der Wiedehopf.

Diese Geschichte ist fast zu schön, um wahr zu sein. 17 Jahre lang hatte sich Franz Nagel aus Freiburg-Opfingen um Nistkästen für den Wiedehopf gekümmert. Am 3. Juni 2006 war es dann endlich so weit. An jenem Tag hat er auf Merdinger Gemarkung ein Weibchen dieser seltenen Vogelart gesichtet, vier Tage später zählte er sechs Eier im Nistkasten. Auch in Gottenheim waren damals junge Wiedehopfe zur Welt gekommen.

Im Vorjahr und in diesem Jahr sind wiederum an beiden Orten Jungvögel geschlüpft. Wo das genau stattgefunden hat, bleibt jedoch geheim. Denn der Wiedehopf zählt zu den seltensten Vögeln Baden-Württembergs. Nach Rote-Liste-Kriterien gilt für ihn die höchste Gefährdungsstufe "vom Aussterben bedroht" . Ohne das Engagement von Leuten wie Franz Nagel wäre das dem Wiedehopf auch passiert. Nahe dran war die Gattung bereits. 1990 wurden in Südbaden noch 15 Brutpaare gezählt, am Kaiserstuhl existierten damals fünf, am Tuniberg war er ganz verschwunden.

"Nur die alten Leute erinnern sich noch an ihn" , erzählt der Opfinger Franz Nagel gegenüber der BZ. "Er war nicht scheu, ist nahe an die Höfe herangekommen." In Erinnerung blieb der Wiedehopf nicht zuletzt durch die Eigenschaft der Jungvögel, sich mit einem stinkenden Sekret aus der Bürzeldrüse gegen unliebsame Annäherungsversuche zu wehren.

Von den 50er Jahren an hatte der einst weit verbreitete Wiedehopf Schritt für Schritt seine Lebensgrundlage am Kaiserstuhl und am Tuniberg verloren: in erster Linie durch die Intensivierung der Landwirtschaft. Nach den großflächigen Flurneuordnungen waren viele alte Bäume und damit auch Nistmöglichkeiten aus der Landschaft verschwunden. Der Wiedehopf zählt zu den Höhlenbrütern, von Natur aus legt er seine Eier vorzugsweise in verlassene, noch weich gepolsterte Spechtlöcher. Abgesehen davon schadete ihm als Insektenfresser der zunehmende Einsatz von chemischen Insektenvertilgern. Seine Leibspeise sind Werren, das sind unterirdisch lebende Grillen, Engerlinge von Mai- und Junikäfer sowie die Larven von Nachtfaltern, die er mit seinem langen gebogenen Schnabel aus dem Boden zieht. Das Aussehen des amselgroßen Vogels ist markant. Auffällig sind die schwarz-weiß gebänderten Flügel mit gelben Einschlüssen und die etwa fünf Zentimeter lange aufrechtstehende Federhaube. Der Schwanz ist schwarz mit einer breiten weißen Binde im letzten Drittel und einer weißen Zeichnung auf der Wurzel. Der übrige Körper ist rostbraunrot. Den dreisilbigen Ruf "Hup hup hup" hört man von April an, wenn das Männchen sein Revier markiert.

Mitgliedern des Naturschutzbundes (Nabu), allen voran Christian Stange aus Freiburg, ist es zu verdanken, dass am Kaiserstuhl heute wieder eine stabile Population besteht. An die 90 Paare wurden hier in diesem Jahr gezählt. Bei Stange, der im Auftrag des Regierungspräsidiums Freiburg das Wiedehopf-Artenschutzprogramm koordiniert, laufen die Informationen von Franz Nagel und anderen Engagierten zusammen. Geschafft haben die Naturschützer das mit Nisthilfen. An die Innenwände von Rebberghäuschen haben sie Holzkästen angebracht, in die ein Loch von außen Zugang gewährt. Nicht unerwähnt bleiben soll der sparsamere Umgang der Landwirte und Winzer mit Pflanzenschutzmitteln.

Das stete Wachstum der Population am Kaiserstuhl hat Christian Stange und Franz Nagel hoffen lassen, dass die Vögel irgendwann an den Tuniberg ausweichen werden. Vor zwei Jahren war es dann so weit, wobei die Brutkästen in der Zwischenzeit von anderen Tieren rege benutzt worden waren, etwa von Siebenschläfern, Staren, Sperlingen und Meisen. Der Zuzug vom Kaiserstuhl ist belegt. Die Vogel-Pionierin von Merdingen, die Christian Stange im Juni "beim Hudern der Jungvögel" , das heißt beim Wärmen, so der Eintrag in seinem Beobachtungsbuch, gesehen hat, hatte er selbst als Jungvogel des Jahrgangs 2005 in Wasenweiler beringt. Offenbar hatte das Weibchen nach seiner Rückkehr aus dem Winterquartier in Nordafrika am Kaiserstuhl keinen Platz mehr gefunden und sich deshalb am Tuniberg umgesehen. Ihr Merdinger Brutplatz liegt von Wasenweiler nur vier Kilometer Luftlinie entfernt.

Franz Nagel hat sich schon immer für Vögel interessiert, im Naturschutz aktiv ist er seit seiner Pensionierung im Jahr 1990. Als Mitarbeiter des Goethe-Instituts war er in der ganzen Welt herumgekommen, zuletzt war er Leiter des Instituts auf Sri Lanka, wo der Wiedehopf ebenfalls heimisch ist. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland meldete er sich beim Naturschutzbund. Er kam gerade recht, das Wiedehopf-Schutzprogramm war damals gerade angelaufen. Nach seinem Umzug nach Opfingen lag es nahe, dass Franz Nagel das Gebiet des Tunibergs übernimmt. Ohne einen einzigen Wiedehopf zu Gesicht zu bekommen, hat er hier jahrelang Nistkästen aufgehängt, immer wieder ersetzt oder repariert und sauber gehalten.

Von April an ist der 82-Jährige fast täglich draußen und notiert seine Beobachtungen rund um die Plätze. Er hat sich eigens ein vierradgetriebenes Auto angeschafft, um bei schlechtem Wetter auf den Rebbergwegen voranzukommen und kennt sich wie sonst kaum ein anderer im gesamten rund 1000 Hektar großen Gebiet aus.

Franz Nagel freut sich über alle Maßen, dass sich seine Anstrengungen nach so vielen Jahren gelohnt haben. Er würde die Aufgabe allerdings gern in jüngere Hände übergeben.

Quelle

Badische Zeitung, Silvia Faller, vom 03.09.2008