Auch Marienkäfer sind aus China
Beim "Tag der Artenvielfalt" fallen die vielen "Einwanderer" auf
|
![]() |
|||
|
![]() |
||
![]() |
Vermehren sich wie die Karnickel: Chinesische Marienkäfer(FOTO: DPA)
|
![]() |
![]() |
![]() |
VAUBAN. Wenn das die Globalisierung mal nicht auf die Spitze treibt: Der
Asiatische oder Chinesische Marienkäfer ist innerhalb kürzester Zeit zu
Freiburgs häufigstem Marienkäfer geworden — so lautet ein wichtiges Ergebnis des
diesjährigen Tages der Artenvielfalt, der am Wochenende im Stadtteil Vauban
stattfand. Dabei handelt es sich weniger um einen Glücksbringer als vielmehr um
einen unerwünschten "Neubürger" : Die fremdländischen Käfer machen ihren
heimischen Namensvettern Konkurrenz und könnten den bekannten
Siebenpunkt-Marienkäfer verdrängen.
Samstagabend, kurz nach 22 Uhr, in der Nähe der Straßenbahn-Endhaltestelle im
Stadtteil Vauban: Theresa Wasmer und Friederike Schneider holen einen
Marienkäfer aus dem Netz, der etwas größer und heller als der bekannte
Siebenpunkt ist. Wie rund 150 weitere Interessenten wollten die beiden
Lehramtsstudentinnen eigentlich Nachtfalter und Fledermäuse beobachten, doch
jetzt steht dieses gebuckelte Insekt im Mittelpunkt ihres Interesses: "Es
handelt sich um einen Asiatischen Marienkäfer" , erklärt Exkursionsleiter Klaus
Rennwald. Der Fund scheint den Insektenkundler nicht sonderlich zu wundern: "Das
warme Frühjahr hat die Vermehrung dieser Art sehr gefördert" , sagt der Biologe.
Am Sonntag setzte sich der Trend fort: Auch Wolfgang Pankow vom Freiburger
insektenkundlichen Arbeitskreis fand mehrere Exemplare der eingewanderten Art,
die man unter anderem an einer schwarzen, M-förmigen Zeichnung auf dem hellen
Halsschild erkennt. Damit dürfte nach Ansicht von Fachleuten fest stehen, dass
der Exot mittlerweile die häufigste Marienkäferart in Freiburg ist.
Ökologen halten diese Entwicklung für bedenklich: In Deutschland wurde das erste
frei lebende Exemplar des Chinesischen Marienkäfers vor sieben Jahren in
Frankfurt gefunden. Inzwischen hat er sich stark ausgebreitet; in manchen
Städten Nord- und Mitteldeutschlands wurde er bereits lästig: Auf der Suche nach
warmen Quartieren flogen ganze Schwärme im Winterhalbjahr in Häuser und
Wohnungen ein. Da die Tiere größer und gefräßiger als ihre einheimischen
Verwandten sind, kann es schlimmstenfalls dazu kommen, dass der bekannte
Siebenpunkt gänzlich von ihnen verdrängt wird. "Fest steht, dass sich der
Asiatische Marienkäfer derzeit rasant vermehrt" , sagt Biologe Rennwald. Wie
weit er einheimische Arten tatsächlich zurückdrängt, müsse die weitere
Entwicklung zeigen.
Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik (Grüne) zeigte sich ebenfalls besorgt und
betonte, dass es eine wichtige Aufgabe des jährlich stattfindenden
Feldforschungs-Aktionstags sei, derartige Trends festzustellen: "In Zeiten des
Klimawandels werden wir verstärkt mit solchen Verschiebungen im Artenspektrum zu
tun bekommen, die es rechtzeitig zu erkennen gilt" , meinte Stuchlik. Den
Ausrichtern und rund 650 Teilnehmern dankte sie für ihren Einsatz.
Der bis zu acht Millimeter große Asiatische oder Chinesische Marienkäfer (wissenschaftlich: Harmonia axyridis) wird bis zu drei Jahre alt und kommt ursprünglich aus Japan und China. Aufgrund seiner Gefräßigkeit wurde er gegen Ende des 20. Jahrhunderts zur biologischen Schädlingsbekämpfung nach Europa eingeführt, wo er aus geschlossenen Bereichen in die Freiheit entkam. Im klimatisch begünstigten Rheintal dürfte er inzwischen weit verbreitet sein. Da er nicht nur Blattläuse, sondern auch Larven anderer Marienkäfer frisst, befürchten Wissenschaftler eine Verdrängung einheimischer Arten. Die Färbung ist sehr variabel und reicht von fast einfarbig schwarz bis dunkelrot; die meisten Exemplare haben orangenfarbene Flügeldecken mit 19 schwarzen Flecken.
Andreas Braun, Badische Zeitung, 19. Juni 2007