Kürzer, öfter, weiter in den Urlaub

Umweltschonend reisen - geht das? Das Ökoinstitut probt Handlungsansätze für einen umweltverträglicheren Tourismus

FREIBURG. Erstickt Venedig im Müll, den Millionen jedes Jahr in der Lagune zurücklassen? Mit einem Wegezoll will die Stadt den Kollaps abwenden. Schon sind auf Stromboli und Sardinien die schönsten Strände nicht mehr kostenlos. Das Ökoinstitut in Darmstadt sagt voraus: Bis zum Jahr 2015 soll der weltweite Tourismus um 25 Prozent ansteigen und die Zahl der Fernreisen wird sich in 15 Jahren verdoppelt haben. Dann fangen die Probleme erst richtig an.

Mallorca hat die Notbremse gezogen und verlangt seit dem 1. Mai eine Art Ökotaxe, um dem Massentourismus auf der Baleareninsel gegenzusteuern. Der Tourismus ist weltweit eine der bedeutendsten Wachstumsbranchen. Allein in Deutschland steuern Reisen rund acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes bei. Zwischen 1985 und 1997 wuchsen die Ausgaben für Urlaubsreisen weltweit von 116 Milliarden auf 447 Milliarden Dollar.

Für 2010 prognostiziert die Welt-Tourismus-Organisation einen Anstieg auf 1,5 Billionen US-Dollar, ausgegeben von 1018 Millionen Touristen. Was nicht auf der Rechnung steht: Energie und Wasser werden verbraucht. Treibhausgase, Müll und Lärm zerstören den Lebensraum von Mensch und Tier. In welchem Ausmaß Kohlendioxid und Schwefeloxide, die Abfallprodukte des Reiseverkehrs, einen beträchtlichen Schaden hinterlassen, ist noch nicht ausgemacht. Sicher ist: Wo die Küstenlandschaft durch Hotelbauten zersiedelt wurde, geht heute schon die Artenvielfalt zurück, verschwindet etwa die natürliche Dünenlandschaft wie an der französischen Atlantikküste. Fortschritte sieht Matthias Buchert, Koordinator Chemie am Ökoinstitut in Darmstadt, lediglich bei der Gewässergüte. In den vergangenen zehn Jahren seien in den Feriengebieten am Mittelmeer nach und nach Kläranlagen gebaut worden. "Die Leute sind immer dann für Verbesserungen empfänglich, wenn die Touristen und der Profit betroffen sind." Buchert glaubt, bei den Reiseveranstaltern die Bereitschaft erkannt zu haben, die eigene Marktmacht zu nutzen. Die großen drei, die den europäischen Pauschaltourismus zu 98 Prozent unter sich aufteilen - TUI, Thomas Cook und Neckermann - besäßen die Macht, darauf hinzuwirken, dass Parkplätze nicht bis an die Strände gebaut werden oder Nahverkehrsmittel das Auto am Urlaubsort überflüssig machen. Langfristig schützten sie damit ihre Interessen: die Attraktivität der Ferienziele. Technische Verbesserungen, die den Schadstoffausstoß verringern, und eine höhere Kerosinsteuer, sagt Buchert, reichten nicht mehr aus. Denn eine bedenkliche Entwicklung nimmt ihren Lauf. Der Trend heißt: kürzer, öfter und immer weiter. Lebensstile bedingen die Reisegewohnheiten: Menschen, die über Zeitmangel klagen, schätzen Last-Minute-Angebote, entscheiden sich für den Wochenendtripp per Flugzeug. Die ökologischen Kosten trägt die Umwelt. Eine Fernreise in die Südsee erzeugt drei mal so viele Treibhausgase wie ein Urlaub am Mittelmeer.

Die Kehrtwende liegt nicht zuletzt an den Reiseveranstaltern Zentraler Handlungsansatz aus Bucherts Institut ist die Umverteilung der Urlauberströme. Urlauber müssten für seltenere, dafür längere Reisen gewonnen werden. Schon eine Fernreise von einmal sechs statt drei mal zwei Wochen würde Kerosinverbrauch und Emissionen halbieren. Voraussetzung für solche Lösungen seien allerdings eine flexiblere Regelung im Bundesurlaubsgesetz, damit Arbeitnehmer ihren Urlaub nach Bedarf für Auszeiten ansparen könnten. Auch die demographische Entwicklung birgt noch eine Chance, die Tourismusspitzen zu entzerren, indem Rentner als ideale Klientel außerhalb der Saison gewonnen würden.

Eine Kehrtwende im Reiseverhalten liegt nicht zuletzt in der Hand der Reiseveranstalter. Denn das Angebot beeinflusst die Nachfrage. Vorbildlich agiert seit Mitte der 90er-Jahre die Münchner Studiosus Reisen. Ein kleiner Anbieter mit rund 100 000 Buchungen 2001, dessen Klientel "Typ Zeit-Leser" gewiss leichter als andere von höheren Preisen, die der Umwelt des Reiselandes zugute kommen, zu überzeugen ist. Studiosus war 1995 das erste Dienstleistungsunternehmen, das ein EU-Ökozertifikat erhielt, und vor einem Jahr erneuert wurde. Studiosus bietet umweltbewusst haushaltende Hotels und fördert Königsgräber in Theben, Schulen in Thailand, Baumpflanzaktionen in Israel. Fünf bis zehn Projekte pro Jahr, sagt Studiosus-Sprecher Klaus Dietsch, seien Pflicht. Rund eine halbe Million Euro hat sein Arbeitgeber seit 1995 im Namen des nachhaltigen Tourismus ausgegeben.

Langfristig lassen sich Trends nur abwenden - zu diesem Schluss kommt die Darmstädter Studie - indem attraktive, intelligente Angebote die Reisenden verlocken, ökologisch verträglich zu reisen.

BÄRBEL NÜCKLES, Redakteurin Badische Zeitung