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Erfolgreicher Freiburger Tag der Artenvielfalt 2017

News vom 20.06.2017

Viel zu entdecken gab es am Samstag, 17. und Sonntag, 18. Juni 2017 beim Freiburger Tag der Artenvielfalt rund um den Sandfang im Stadtteil Waldsee-Oberwiehre

Insekten, Eidechsen, Fledermäuse, Vögel, Heilkräuter, Bäume und vieles mehr. Insgesamt wurden gut 20 spannende Exkursionen zu einzelnen Artengruppen und Lebensräumen angeboten, die von 337 Personen besucht wurden. Nach der ersten Abschätzung am Sonntagabend dürften dabei um die 500 Einzelarten bestimmt worden sein.

Rechnet man noch die „Laufkundschaft“ hinzu - in etwa 150 Passanten, hauptsächlich vom nahegelegenen Dreisamuferweg - kommt man auf knapp 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Bei 25 bis 30 Grad Celsius an einem Ferienwochenende ist das eine sehr gute Resonanz und liegt über dem Durchschnitt der letzten Jahre. Insgesamt kann ein durchweg sehr positives Fazit gezogen werden. Die genannten Zahlen zeigen, dass das Interesse an der Arten- und Biotopvielfalt vor der Haustür ungebrochen ist und in der Bevölkerung auch einen hohen Wert habe.

Bereits am Samstagabend vermittelten die Spezialisten spannende Einblicke ins wuselige Freiburg: Mit Kunstlicht lockten Schmetterlings-Führer Georg Paulus und Biologe Klaus Rennwald vom Freiburger Entomologischen Arbeitskreis (FrEAK) aus der Dreisam geschlüpfte Stein- und Köcherfliegen an, ebenso rund 30 Nachtfalter-Arten - darunter farbenfrohe Exemplare wie der Brennnessel-Zünsler, das Flechtenbärchen und die gefährdete Kammerjungfer, auch unter dem Namen „Braunfleck-Widderchen“ bekannt. Letztere ist aus Baden-Württemberg von nur wenigen Stellen gemeldet, für ihr Vorkommen könnte ein unweit gelegener Steinbruch als Lebensraum von Bedeutung sein.

„Star“ des Abends war jedoch eine kleine Zwergfledermaus, die Edmund Hensle von der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz (AGF) präsentierte: Etliche Leute zückten spontan ihr Smartphone oder ihre Digital-Kamera, um von dem kleinen Flattermann ein Foto zu erhaschen. Begeistert davon, Zwerg- und Wasserfledermäusen mit Detektoren und Infrarot-Kameras nachzuspüren, war neben vielen anderen auch Christine Kalkhof aus Littenweiler: „Es war toll, die Tiere beim Fliegen zu sehen“, meinte sie. Mit insgesamt 45 Besucherinnen und Besuchern - darunter auffallend viele Kinder und Jugendliche - war die Fledermaus-Veranstaltung so gut besucht wie keine andere Exkursion.

Für Frühaufsteher startete der Sonntag bereits um 6.30 Uhr mit einer Vogelexkursion unter der Leitung von Sebastian Schroeder-Esch. Dabei wurden 24 Vogelarten gesehen oder gehört, darunter auch die hier an der Dreisam lebende Gebirgsstelze sowie die Wasseramsel. Gegen 8.30 Uhr ging es weiter mit einer Exkursion zum Thema „Blütenökologie“ unter der Leitung von Botaniker Peter Fräßdorf von der Ökostation und Klaus Rennwald.

Gegen 10 Uhr war das Gelände beim Sandfang dann zu einer Art „Fan-Meile“ für Tiere und Pflanzen geworden: Jäger, NABU, BUND, Bachpaten, Gewässerführer, die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) und die Aktion Wipfelpfade sowie weitere Gruppen hatten - ebenso wie das Forst- und Umweltschutzamt der Stadt Freiburg - Info-Stände aufgebaut oder andere Angebote vorbereitet und gaben Auskünfte zu allen möglichen Themen rund um das Thema Natur, Arten- und Biotopschutz. Erstmals neu dabei war dieses Jahr der Deutsche Jugendbund für Naturbeobachtung (DJN), der - ebenso wie Gisela Friederich von der Naturschutzjugend (NAJU) - Führungen für Kinder und Jugendliche anbot. Alle Stände waren fast die ganze Zeit über gut besucht, genauso wie das Ökomobil des Regierungspräsidiums, in dem zirka 100 Erwachsene und 50 Kinder vorbeischauten, um Insekten und Pflanzen unterm Binokular zu betrachten und zu bestimmen.

Um 11 Uhr begrüßte Edmund Hensle als Vertreter des „Freiburger Netzwerk Artenvielfalt“ die Besucher, musikalisch umrahmt von den Jagdhornbläsern Dreisamtal der Jägervereinigung Freiburg. Dabei wies Hensle auf den besorgniserregenden Artenschwund hin und betonte, dass dieses Thema die gesamte Gesellschaft beträfe: „Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir mit dieser unguten Entwicklung umgehen, was die Gründe dafür sind und was wir dagegen tun“, sagte der Fledermaus-Fachmann, der auch zu den Erstunterzeichnern eines offenen Briefes an den Umweltminister zum Artenschwund gehört.

Danach fanden den ganzen Tag über viele weitere Exkursionen statt, eine davon hatte den alten Klostergarten der Kartaus zum Ziel. „Ein Anliegen ist es uns dort, die Nutzpflanzenvielfalt zu erhalten“, erläuterte Gärtnerin Žana Mehić vom United World College (UWC). Unter anderem stellte sie die Erzengelwurz vor - eine Heilpflanze, die schon zu Zeiten der Kartäusermönche da gewesen sei und zur Likörherstellung verwendet werde. Dass die Pflanzenvielfalt im Garten für Insekten von Bedeutung ist, verdeutliche ein Fund von Klaus Rennwald: An einer Eselsdistel entdeckte der Experte die Bohrfliege „Tephritis postica“, für die aus Deutschland bislang nur ein Fundort vom Kaiserstuhl bekannt war.

Gut nachgefragt waren auch die Exkursionen zum renaturierten Dreisamabschnitt. Dabei kam die Frage auf, ob der deutlich gestiegene Publikumsverkehr dem Artenschutz nicht zuwider laufen könnte - etwa, weil neu sich ansiedelnde Pionierpflanzen auf den Kiesbänken teilweise runtergetreten würden. „Wir sind hier im urbanen Raum und können das Gelände daher nicht einfach einzäunen“, meinte Gewässerführer Nicolai Trefzger in diesem Zusammenhang. Auch Lothar Mülhaupt vom Bürgerverein Oberwiehre-Waldsee betonte, dass die Schaffung von Freizeitbereichen zum Konzept mit dazu gehöre und beides - Naturschutz und Naherholung - miteinander unter einen Hut gebracht werden müsse. „Es sollen noch Hinweistafeln kommen, die müssen aber pfiffig gestaltet sein“, erläuterte er.

Gelegentlich fielen auch gebietsfremde Arten wie der Asiatische Marienkäfer, der Buchsbaumzünsler oder ein Blauglockenbaum auf - letzterer bei einer Exkursion mit Revierförster Dieter Thoma zum Stadtwaldrand, die aufgrund der großen Nachfrage gleich zweimal angeboten wurde. Außerdem ein stattlicher Riesen-Bärenklau - und zwar beim neu gestalteten Dreisamufer, wo viele Kinder spielen. Da der Kontakt mit den Blättern dieses Doldenblütlers heftige Hautreaktionen hervorrufen kann, war rasches Handeln angesagt: Gisela Friederich (NAJU) verständigte deshalb gegen 11.30 Uhr die Feuerwehr, die kurze Zeit später anrückte und die hoch gewachsene Giftpflanze fachmännisch entfernte: In voller Schutzmontur sägten Hans-Peter Strauch und Marco Braun die Blätter ab, stülpten dem Blütenstand einen Müllsack über und entfernten das Wurzelwerk mit einem Pickel - da war es eine Art weniger am Tag der Artenvielfalt!

Auswertung:
Nach einer ersten, vorläufigen Auswertung wurden diesmal rund 500 Arten entdeckt - was zwischen den Zahlen von 2005 (553) und 2009 (450) liegt, als der Aktionstag an gleicher Stelle stattfand. Derzeit sind die Spezialisten noch dabei, die Ergebnisse zu sichten. Gefunden wurden unter anderem 231 höhere Pflanzen-, 30 Nachtfalter und ebenso viele Vogelarten, darunter Gebirgsstelze, Wasseramsel, Neuntöter, Garten- und Waldbaumläufer. Zu den weiteren bemerkenswerten Funden gehören die Wasser- und Zwergfledermaus, ein geschützter Hirschkäfer, die Kammerjungfer „Dysauxes ancilla“ (ein Schmetterling, der als gefährdet gilt) und eine Bohrfliege mit dem lateinischen Namen „Tephritis postica“, für die aus Deutschland bislang nur eine Fundstelle vom Kaiserstuhl bekannt war.