Von Sklavenameisen und Plattbäuchen
News vom 05.06.2011
Emsiges Treiben herrschte am Samstag beim Freiburger GEO-Tag der Artenvielfalt rund um die Wonnhalde zwischen Freiburg und Günterstal
Über den ganzen Tag hinweg hatten sich rund 100 Menschen eingefunden, um beim Freiburger Tag der Artenvielfalt die Natur zwischen den Stadtteilen Wiehre und Günterstal zu erkunden. Nach einer ersten Schätzung fanden sie dabei rund 370 Arten, darunter auch solche, die auf der Roten Liste vermerkt sind und somit als gefährdet gelten - etwa die Rotbärtige Sklavenameise und die Sumpfschrecke. 2006, als der Aktionstag schon einmal an gleicher Stelle stattgefunden hatte, waren 408 einheimische Arten gefunden worden. „Da die Expertenrunde für einzelne Tier- und Pflanzengruppen in den beiden Jahren verschieden besetzt war, ist ein aussagekräftiger Vergleich der beiden Artenlisten jedoch kaum möglich“, sagt Ralf Hufnagel von der Ökostation.
Los ging’s bereits am Freitagabend um 22 Uhr: Knapp zehn Interessenten, darunter einige Studierende der Pädagogischen Hochschule, hatten sich zum Nachtfalter-Fang hinter dem Waldhaus eingefunden. Die Teilnehmer waren von dem Gewusel rund um die Fanglampe beeindruck: Außer Schmetterlingen wie dem Pfaffenhütchen-Harlekin und der Rosenmotte wurden nämlich auch viele Köcherfliegen und etliche Käfer vom Kunstlicht angelockt – beispielsweise der nur wenige Millimeter große Gelbbindige Schwarzkäfer, der ausschließlich an Baumpilzen lebt und sich von diesen ernährt.
Den Auftakt für die zahlreichen Aktivitäten am Samstag machte eine frühmorgendliche Vogelexkursion unter Leitung von Josef Ruf. Gemeinsam mit mehreren Naturliebhabern zählte der NABU-Experte 28 Arten, unter ihnen die Wasseramsel am Hölderlebach und der Graufliegenschnäpper im angrenzenden Bergmischwald. Um 11 Uhr eröffnete dann Ralf Hufnagel von der Ökostation den Tag der Artenvielfalt offiziell, wobei die Bläsergruppe der Freiburger Jägervereinigung den musikalischen Rahmen bildete. Anschließend wandte sich Freiburgs Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik in einem Grußwort an die zu diesem Zeitpunkt rund 40 Anwesenden und hob dabei die Bedeutung des Aktionstags hervor: „Er ist wichtig, weil man mit seiner Hilfe Veränderungen im Artenspektrum erkennen kann und weil er zu einer nachhaltigen Umweltbildung beiträgt“, betonte die Bürgermeisterin. Zugleich dankte sie den Veranstaltern, dem Freiburger „Netzwerk Artenvielfalt“, das rund 20 Naturschutzgruppen und mehrere Ämter der Stadt umfasst, für ihr großes Engagement. Daraufhin stellten die anwesenden Experten ihr Exkursionsprogramm vor.
Eine der geführten Wanderungen beschäftigte sich mit Käfern: „Allein in Baden gibt es rund 4000 Arten aus dieser Insektengruppe, betonte Frank Baum vom FREAK. Mit Hilfe eines Käschers fanden er und die acht Teilnehmer innerhalb einer Stunde knapp 30 Arten: Neben Bockkäfern, Gartenlaubkäfern und etlichen Marienkäfer-Larven auch einen Schneckenhauskäfer. Letzterer heißt so, weil sich seine Larven von Gehäuseschnecken ernähren. „Es ist immer wieder überraschend, was für tolle Sachen in der Natur vorkommen“, zeigte sich die Rentnerin Erika Kryszon aus Herdern von dieser Vielfalt beeindruckt.
Die Natur den eigenen Kindern näher zu bringen war indes für viele Eltern der Hauptgrund zur Teilnahme: „Das Erlebnis ist an so einem Tag einfach intensiver als das, was in der Schule gelehrt wird“, meinte beispielsweise Helma Trost aus der Wiehre. Ihrer Tochter Tabea machte das Suchen nach Lebewesen im Hölderlebach unter Anleitung der Freiburger Bachpaten dann auch sichtlich Spaß: „Am besten gefallen mir die Egel, weil sie sich so toll zusammenziehen können“, erzählte die Sechsjährige begeistert. Auffällig waren auch die vielen kleinen Hakenkäfer, die aufgrund ihrer besonderen Atemtechnik sauerstoffreiches Wasser benötigen.
Einen deutlich weiteren Anreiseweg als viele Familien hatte indes Wolfgang Münch aus Tübingen: Der passionierte Ameisenforscher hatte die weite Fahrt auf sich genommen, um die Wälder und Wiesen des Exkursionsgebiets nach seinen Lieblingstieren abzusuchen. Sieben Arten fand er dabei, beispielsweise die seltene Rotbärtige Sklavenameise: „Sie mag vor allem trockenwarme Lebensräume“, erläuterte der Zoologe. Der Name Sklavenameise bringt übrigens zum Ausdruck, dass diese von anderen Arten verschleppt und in fremden Nestern als Hilfstier gehalten werden.
Außer Ameisen gab es auf den Wonnhaldewiesen aber noch vieles andere zu entdecken: „Schätzungsweise 200 Pflanzenarten kommen hier vor“, erläuterte Klaus Rennwald bei einer Exkursion ins dortige Landschaftsschutzgebiet. Grund sei die abwechslungsreiche Gestaltung des Geländes: „Es gibt sowohl feuchtere als auch trockenere Bereiche auf engem Raum“, erklärte der Biologe. Und zwischen den Halmen von Klappertopf, Wiesenknopf und anderen Kräutern wuselten in der Nachmittagshitze auch zahlreiche Tiere umher: „Etwa die Eichenblattspinne, eine Blaupfeil-Libelle und die gefährdete Sumpfheuschrecke“, nannte Miriam Schaller drei Beispiele. Die 39-jährige Tierarzthelferin aus Landwasser ist sozusagen Stammgast beim Artentag und freute sich, erneut viele Tiere und Pflanzen entdecken zu können. Dass dies so einfach möglich war, lag übrigens nicht nur an den sommerlichen Temperaturen, sondern auch am Entgegenkommen der Landwirte: „Sie haben den Mähtermin wegen des Aktionstags extra nach hinten verschoben“, betonte Ralf Hufnagel.
Auf reges Interesse stießen beim diesjährigen Tag der Artenvielfalt auch die geführten Wanderungen in den Stadtwald und zum Arboretum bei Günterstal. Anders als in den Vorjahren fanden die restlichen Exkursionen diesmal zwischen 10 und 15 Uhr weitgehend spontan statt: Auf diese Weise sollte das Programm kurzfristig auf die Vorlieben der gerade anwesenden Leute abgestimmt werden. Was gut gemeint war, kam jedoch nicht bei jedem gut an: „Ich fühlte mich schon etwas verloren“, meinte beispielsweise ein Besucher aus dem Rieselfeld, da bei seinem Eintreffen gerade alle Spezialisten unterwegs gewesen seien. „Unser Konzept ist in dieser Hinsicht leider nicht aufgegangen, weshalb wir im nächsten Jahr wieder zu einem konkreten Exkursionsplan mit genauen Uhrzeiten zurückkehren werden", meinte dann auch Ralf Hufnagel von der Ökostation. Positiv sei indes anzumerken, dass die Experten dieses Jahr mehr Zeit als sonst zum Bestimmen der Arten gehabt hätten, da die Gruppen recht klein gewesen seien.