Windenergie und Tourismus im Schwarzwald
News vom 26.11.2003
Die Ergebnisse der gleichnahmigen Studie wurden in der Ökostation am 25.11.03 präsentiert und diskutiert
Im folgenden steht die Kurzfassung der Diplomarbeit "Windenergienutzung und Tourismus im Schwarzwald" von Dipl.-Forstwirt NORIAKI IKEDA am Institut für Forstpolitik der Universität Freiburg
"Hintergrund:
Die finanzielle Förderung regenerativer Energiequellen hat in Deutschland zu einem starken Ausbau der Windkraftnutzung geführt. Nach der anfänglichen Konzentration auf die Küstenregionen werden inzwischen auch Flächen im Binnenland genutzt. Ähnlich wie in anderen Mittelgebirgen ist auch im Schwarzwald eine Diskussion über die Auswirkungen der Errichtung von Windkraftanlagen auf Landschaftsbild und Fremdenverkehr entbrannt. Von den Gegnern der Windkraftanlagen werden insbesondere durch die Fernwirkung von Großanlagen negative Folgen für den Erholungswert der Schwarzwaldlandschaft erwartet. Befürworter halten dieser Befürchtung das positive Image einer Region entgegen, die auf regenerative Energien setzt.
Zielsetzung der Arbeit
Die vorliegende Arbeit möchte vor dem Hintergrund der laufenden Konflikte Informationen über die Akzeptanz von Windkraftanlagen bei Besuchern des Schwarzwaldes zur Verfügung stellen. Es ist nicht beabsichtigt, repräsentative Daten für die gesamte Region zu sammeln, sondern am Beispiel einer Fallstudie Grundsätze für die Bewertung des Themas durch Touristen und Ortsansässige zu erkennen.
Zusammenfassende Bewertung:
Die vorliegende Untersuchung liefert Hinweise darauf, wie es zu Bewertungen von Windkraftanlagen im Schwarzwald kommt. Es zeigt sich, dass die fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema ein wichtiger Faktor ist. Vor allem Personen, die Windkraftanlagen aus Gründen des Landschaftsschutzes ablehnen, beschäftigen sich mit dem Thema intensiv. Eine weitaus größere Gruppe der Erholungssuchenden folgt jedoch den Argumenten „Klimaschutz“ und „saubere Energie“ und stellt ihre ästhetischen Empfindungen hinten an.
Ausdrücklich soll darauf hingewiesen werden, dass es keinen Sinn macht, aus den vorliegenden Daten quantitative Prognosen über einen möglichen Rückgang des Schwarzwaldtourismus bei weiterer Erschließung von Windkraftanlagen abzuleiten. Hierzu ist die gewählte Methode ungeeignet. Die Untersuchung ist jedoch geeignet, Grundsätze der Bewertung der Windkraftanlagen durch verschiedene Bevölkerungsgruppen zu dokumentieren. Es lässt sich zudem zeigen, dass die politische Diskussion um die Windkraft das Landschaftserlebnis des Einzelnen und damit indirekt das Verhalten der Erholungssuchenden beeinflussen. Die Inhalte und Form der Debatten sowie die Partizipationschancen daran formen für jeden Schwarzwaldgast auch den Blick auf die Landschaft.
Annahmen:
Die Untersuchung stützt sich auf Theorien zum Landschaftserlebnis. Es wird angenommen, dass Windkraftanlagen in dreifacher Weise das Landschaftserlebnis beeinflussen können.
Erstens beeinflussen objektiv messbare Komponenten wie Form, Größe, Geräusche und Lichteffekte die Wahrnehmung der Besucher.
Zweitens beeinflussen sachliche Interessen auf der Basis von Kenntnissen und Annahmen über diese Form der Energiegewinnung („Klimaschutz“, „uneffiziente Energienutzung“) die ablaufende Bewertung.
Drittens gibt es eine symbolische Komponente, das heißt vor allem, dass z.B. positive Assoziationen mit den Anlagen („Innovation“) das Landschaftserlebnis fördern, während negative Verbindungen („ideologische Energiepolitik“) das Störempfinden steigern.
Parallel zu dieser Rolle von Einflüssen auf das Landschaftserlebnis wird der Annahme gefolgt, dass soziokulturelle Faktoren zu Unterschieden in der Bewertung führen. Es wird angenommen, dass in bestimmten sozialen Milieus (vor allem durch Alter und Bildung abgegrenzt) die Bewertung stets positiv ausfällt, während andere Milieus ihr Landschaftserleben durch Windkraftanlagen getrübt sehen.
Untersuchungsmethoden:
Die Untersuchung wurde von August bis September 2002 als standardisierte Befragung an zwei Orten im Südschwarzwald durchgeführt. Das eine Untersuchungsgebiet befindet sich an den Plattenhöfen bei St. Peter; dort befinden sich bereits mehrere Windkraftanlagen, können aber auch weitere Anlagen in größerer Entfernung gesehen werden. Als Vergleichsgebiet wurde der Titisee gewählt; von aus dort können bislang noch keine Anlagen gesehen werden. Befragt wurden insgesamt 90 Erholungssuchende.
Ausgewählte Ergebnisse
Generelle Bewertung:
Die Gruppe jener Personen, die von Windkraftanlagen eine positive Wirkung ausgehen sieht, hält sich mit jener, die diese offen ablehnen oder mit gemischten Gefühlen betrachten, in etwa die Waage. Jeweils rund 45% der Befragten können zu den beiden differierenden Gruppen gezählt werden, etwa sieben Prozent geben sich neutral, die anderen Befragten hatten keine Meinung.
Interessanterweise finden sich kaum Unterschiede zwischen den Untersuchungsgebieten. Demnach ist das Landschaftserlebnis tatsächlich vor allem von vorhandenen Vorkenntnissen und Bewertungen abhängig und wird nicht ausschließlich vom momentanen Landschaftsbild bestimmt. Aussagkräftige Befunde liefert eine vergleichende Betrachtung der einzelnen Milieus, aus denen die Befragten stammen. Die negativen Empfindungen sind im sogenannten „Niveaumilieu“, also bei den älteren, mit hoher formaler Bildung ausgestatteten Besuchern des Schwarzwaldes besonders hoch. Umgekehrt finden sich im „Selbstverwirklichungsmilieu“, das sind die besser gebildeten, aber jüngeren Personen besonders viele Menschen mit positiven Gefühlen zur Windkraft im Schwarzwald. Personen mit geringerer formaler Bildung zeigen sich in ihren Positionen und Empfindungen weniger eindeutig.
Der Faktor Vorkenntnisse:
Sofern sich die Befragten bereits mit dem Thema beschäftigt haben und nach eigener Einschätzung „fachliche Kenntnisse“ vorliegen, neigen sie eher zu einer Ablehnung der Windkraft im Schwarzwald. So haben sich 75% jenes Personenkreises, die die Anlagen ablehnen, bereits mit dem Thema befasst, während sich 70% der Befürworter noch kein Fachwissen angeeignet haben. Denkbar ist daher auch, dass sich Personen, die die Anlagen aus ästhetischen Gründen ablehnen, vermehrt mit den umweltpolitischen und technischen Hintergründen befassen. Gründe für die Ablehnung sind vor allem deren „fehlende Effizienz“, die „Störung des Landschaftsbilds“ und „hohe Subventionen“ für die Errichtung. Stützende Argumente kommen vor allem aus der Kategorie „saubere Energie“ und „Klimaschutz“.
Der Faktor Heimat:
Vergleicht man die Empfindungen der Befragten hinsichtlich deren Herkunft, zeigt sich, dass sich die Touristen tendenziell durch die Anlagen stärker gestört fühlen als die Einheimischen. Die Erwartungshaltung der Besucher gegenüber der Schwarzwaldlandschaft ist demnach leichter zu enttäuschen als jene der Ortsansässigen, die Gelegenheit haben, die Diskussionen um die Errichtung der Anlagen über Monate hinweg zu verfolgen und sich schließlich an deren Anblick gewöhnen. Dieser Befund bestätigt sich auch, wenn nach der Regelmäßigkeit des Besuches gefragt wird. Regelmäßige Besucher des Schwarzwaldes fühlen sich weniger gestört als Gäste, die erstmalig kamen oder ab und zu in der Region sind.
Folgen für den Besuch im Schwarzwald:
Nur wenige Befragte sagen, dass Windkrafträder ein Grund wären, den Schwarzwald nicht mehr zu besuchen. Insgesamt zeichnet sich jedoch für die Fernerholung eine andere Reaktion der Befragten als für die Naherholung ab. Etwa jeder zehnte Tourist möchte einen erneuten Besuch im Schwarzwald bei der Errichtung weiterer Anlagen überdenken. Die Anwohner aus der Region wollen wegen der Windkraftanlagen ihre Naherholungsgebiete im Schwarzwald nicht grundsätzlich meiden, einige sagen jedoch, dass sie etwa bei der Auswahl einzelner Wanderungen oder Radstrecken Gegenden mit bereits errichteten Anlagen zu umgehen suchen. Anders formuliert hieße dies, dass die meisten Touristen angeben, auch weiterhin in den Schwarzwald kommen, obwohl es dort Windkraftanlagen gibt, während die Einheimischen bestimmte Gebiete meiden, da es dort zu Landschaftsveränderungen kommt. Personen, die darüber nachdenken, Teile des Schwarzwaldes zukünftig zu meiden, sind wiederum vor allem dem „Niveaumilieu“ zuzurechnen, also eher älter, besser gebildet und einkommensstark.
Ansprechpartner:
Dr. Ulrich Schraml,
Institut für Forst- und Uweltpolitik
Albert-Luwigs-Universität Freiburg
79085 Freiburg
Tel. 0761/203-3713